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Die historische Grammatik (Jacob Grimm)




Opposition und Neutralisation

Mit Hilfe der Gegenüberstellung oder der Opposition der grammatischen Formen werden ihre differenzialen oder integralen Merkmale festgestellt. Demnach können wir innerhalb der grammatischen Kategorie nur solche Formen betrachten, die gleiche Bedeutungen ausdrücken können. Der Begriff Opposition ist in der Grammatik aus der Phonologie entnommen. Alle formen innerhalb der grammatischen Kategorie bilden eine Opposition zu den solchen Formen, die zum System dieser Kategorie gehören (Zahl: Sg/Pl, Steigerungsstufen der Adjektive:Positiv/Komparativ/Superlativ).

Unter der Neutralisation versteht man das Verschwinden der Unterscheidungsmerkmale zwischen den Formen in einem Paradigma. Je mehr starke Positionen, desto starker ist die Neutralisation. Die Verstärkung der Neutralisation durch die Vergröβerung der Neuralisationszahl und das Verschwinden der Positionsrelevanz kann zum Verschwinden der Opposition sowie zur Morphemkonvergenz führen, d. h. zur Morphemverschmelzung. Als Beispiel der Neutralisation kommt das Verschwinden der Gegenϋberstellung zwischen dem Perfekt und dem Präteritum im Falle der Gestaltung des Monologs, was manchmal im Hochdeutschen und Ősterreichischen vorkommt. Noch ein Beispiel: die Neutralisation der Formen im 1. und 3. Person im Präteritum.

 

Vorlesung 3. Moderne in- und ausländische Grammatiktheorien

1. Die historische Grammatik (Jacob Grimm).

2. Die junggrammatische Schule (Hermann Paul, Otto Behagel).

3. Syntaktische Werke von John Ries.

4. Die Lehre Ferdinand de Sausures und ihr Einfluss auf die grammatischen Theorien.

5. Die strukturelle Grammatik von Hans Glinz.

 

Die wissenschaftliche deutsche Grammatik entsteht zu Beginn des 19. Jhs. Ihr geht eine über zwei Jahrhunderte lang dauernde Periode der Sprachregelung voraus. Hauptanliegen der reglementierenden Grammatik des 17. und 18. Jhs. ist die Einigung und Normung der entstehenden deutschen Literatursprache.

Erst am Anfang des 19. Jhs. als die Sprachwissenschaft in vielen Ländern Europas raschen Aufstieg nimmt, werden dadurch auch die Voraussetzungen für die Entstehung der wissenschaftlichen Grammatik der deutschen Sprache geschaffen. Ihr Wesen wird in dieser Zeit von den raschen Fortschritten der historisch-vergleichenden Grammatik der indoeuropäischen Sprachen sowie der germanischen, romanischen und slawischen Philologie mitbestimmt. Die gesamte Sprachwissenschaft entwickelt sich in dieser Zeit als eine historische Sprachforschung. Auch die wissenschaftliche Grammatik entwickelt sich als eine historische Grammatik und ist von der Sprachgeschichte kaum zu trennen. Grammatik heißt nun nicht mehr Norm und Gesetz, sondern Sprachgeschichte.

Grundlegend für die Entwicklung der deutschen und germanischen Philologie sowie für den Ausbau der wissenschaftlichen Grammatik der deutschen Sprache war Jacob Grimms „Deutsche Grammatik", I —IV (1822—1837). Dieses Werk war eine systematische Darstellung der Entwicklungsgeschichte aller germanischen Sprachen, angefangen bei ihren ältesten Denkmälern, da es ja dem Verfasser vor allem daran lag, die Geschichte der deutschen Sprache bis auf ihre germanischen Ursprünge zurückzuverfolgen.

Grimms Interesse galt vor allem der Frühgeschichte der germanischen Sprachen. Daher blieb seine Darstellung im Wesentlichen auf die Frühzeit und das Mittelalter beschränkt, während das Neuhochdeutsche in seinem Werk nur kurz skizziert war.

Der I. Band der „Deutschen Grammatik" gibt eine umfassende Darstellung der historischen Laut- und Formenlehre der germanischen Sprachen, der 2. und 3. Band eine historische Wonbildungslehre. Der 4. Band der „Deutschen Grammatik" hat die Syntax des einfachen Satzes zum Inhalt. Sie ist aber nicht der eigentlichen Satzlehre, sondern dem Gebrauch der Wortarten und Wonformen. d. h. der sog. funktionalen Morphologie gewidmet. Das erklärt sich dadurch, dass die eigentliche Satzlehre zu Grimms Zeiten noch nicht in die sprachhistorische Forschung aufgenommen worden war und eine Domäne der allgemeinen Sprachphilosophie und der Logik blieb. Der Satz wurde aus der Sicht des logischen Urteils behandelt, seine Gliederung als ein unmittelbarer Ausdruck der Struktur des logischen Urteils gedeutet. Diese Tradition geht auf die antike Grammatik zurück (die sog. Alexandriner Schule in Griechenland; 3. Jh. v. u. Z. — 7. Jh. u. Z.). Auch in der Zeit der Aufklärung (18.Jh.) blieb die Satzlehre eine Hilfswissenschaft der formalen Logik. Die grammatischen Kategorien wurden als Ausdruck universeller logischer Kategorien aufgefasst und auf alle Sprachen ausgedehnt. In Frankreich gipfelte diese Lehre in der berühmten „universellen" logischen Grammatik von Port-Royal. In Deutschland lebte sie zu Grimms Zeiten in der logischen Syntax von Karl Ferdinand Becker fort. (K.-F. Becker. „Organismus der Sprache als Einleitung zur deutschen Grammatik", 1827).

Neu im Vergleich zur deduktiven Betrachtungsweise der Sprache bei den deutschen Sprachtheoretikern der Aufklärerzeit sowie zu den Traditionen der universellen Grammatik von Port-Royal war das induktive empirische Verfahren von Grimm, das die Forschungsmethode der nächsten Generation von Sprachforschern vorwegnahm. Grimm schrieb im Vorwort zur „Deutschen Grammatik": „Allgemein-logischen Begriffen bin ich in der Grammatik feind; sie führen scheinbare Strenge und Geschlossenheit zur Bestimmung mit sich, hemmen aber die Beobachtung, welche ich als die Seele der Sprachforschung betrachte". Seine Darstellung ging von der Erforschung der Sprache altgermanischer Schriftdenkmäler aus, sie ist durch eine reiche Beispielsammlung belegt, die das Ergebnis der lebenslangen Sammelarbeit dieses hervorragenden Philologen war.

 




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Дата добавления: 2014-01-05; Просмотров: 1649; Нарушение авторских прав?; Мы поможем в написании вашей работы!


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